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- 9. Februar 2015
- Neuigkeiten
Zum Pressebericht: https://waldorfschule-siegen.de/kategorien/pressespiegel
Bereits seit 10 Jahren ist Frau Vidláková Gast an unserer Schule und hat in diesen Jahren bereits einen wertvollen Beitrag für den Geschichtsunterricht an der Rudolf Steiner Schule Siegen geleistet.
Voller Spannung verfolgten 100 Schüler der Klassen 8-10 der Rudolf-Steiner-Schule kürzlich den 90minütigen Bericht von Frau Vidláková aus Prag, die als Zeitzeugin von ihren Erlebnissen als jüdisches Kind in den 30er Jahren und ihrer Zeit in Theresienstadt sprach. Auf Initiative der Religionslehrerin Frau Diehl kam dieser Besuch durch die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu Stande.
Zeitweise hätte man eine Stecknadel fallen hören können, z.B. als Frau Vidláková erzählte, mit welch großem Glück ihr Vater, der bereits auf den Abtransport nach Auschwitz wartete, noch in letzter Minute davor bewahrt wurde. Es war der letzte Transport von Theresienstadt aus – der Vater überlebte. Als Frau Vidláková ein Bild zeigte von der 9. Klasse, die ihre Mutter unterrichtete, und erwähnte, dass nur einer von diesen Schülern überlebte, da durchfuhr manchen der Gedanke: „Von diesen 100 Schülern heute wären nur drei übrig geblieben.“ Gerade diese Anschaulichkeit ließ die Schüler die Schrecken der Verfolgung erspüren. Nicht nur eigene Fotos untermalten den Vortrag der 78-Jährigen: Bilder aus den Vernichtungslagern und ein kurzer Exkurs über ihren inzwischen verstorbenen Lebensgefährten Artur Radvanski, der Buchenwald durch die zweimalige medizinische Hilfe von Walter Krämer überlebte, ließen sehr nachdenkliche Schüler zurück.
Diesen Vormittag beendete Frau Vidláková mit dem Besuch des Walter-Krämer-Platzes am Weidenauer Krankenhaus, einerseits mit Freude darüber, dass dieser mutige Lebensretter nun in seiner Geburtsstadt diese Ehrung erfahren hat aber auch mit einem gewissen Bedauern darüber, dass Herr Radvanski, der auch über viele Jahre mit ihr zusammen nach Siegen kam, dies nicht mehr erlebten durfte.
Text: Dorothee Diehl
Bilder: Michael Albe-Nolting und Christian Manzius
Hintergrund von Frau Vidláková:
Michaela Vidláková kommt 1936 als Michaela Lauscherová in Prag zur Welt. Drei Jahre später marschieren deutsche Truppen ein – die Tschechoslowakei existiert nicht mehr. Es ist der Beginn einer furchtbaren Leidenszeit für jüdische Familien wie die Lauschers: Zunächst werden sie entrechtet und mit Verboten schikaniert, schließlich deportiert man sie in das Konzentrationslager Theresienstadt. “Vorzimmer des Todes” nennt Vidláková das Ghetto, in dem sie zweieinhalb Jahre in Elend, Hunger und ständiger Angst ums Überleben zubringen musste. In Theresienstadt lernt sie die deutsche Sprache von einem Jungen aus Berlin. Seine Spur verliert sich in Auschwitz. Die Lauschers haben Glück im Unglück: Der Vater gilt als wertvoller Handwerker, deshalb wird die Familie nicht in einem der vielen Züge nach Osten “evakuiert” – in die Vernichtungslager. Kindheit im KZ: Die Pragerin Michaela Vidláková überlebte das “Ghetto” Theresienstadt. Seit vielen Jahren sucht sie den Kontakt zu deutschen Schülern.
Nach dem Krieg beginnen sich Vidlákovás Eltern Irma Lauscherová und Ji?í Lauscher intensiv für Erinnerungsarbeit einzusetzen. Bereits Anfang der 1960er Jahre sind sie von den Deutschen, und zwar von den Mitgliedern der Aktion Sühnezeichen, als eine der ersten Juden in der Tschechosowakei kontaktiert worden. So begann die jahrelange Zusammenarbeit. Vidláková führt das Lebenswerk ihrer Eltern fort. Sie engagiert sich unter anderem bei Aktion Sühnezeichen. Dafür wird sie im November 2009 mit dem Lothar-Kreyssig-Friedenspreis ausgezeichnet. Michaela Vidláková lebt nach wie vor in Prag, dort hat sie als promovierte Naturwissenschaftlerin gearbeitet.