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- 3. Dezember 2009
- Neuigkeiten
Waldorfschulen feiern Jubiläum mit großem Bildungskongress
Stuttgart: „Vor 90 Jahren ging von diesem Ort aus ein Erdbeben durch die pädagogische Landschaft”. Mit diesen Worten eröffnete Walter Riethmüller vom Vorstand des Bundes der Freien Waldorfschulen den Kongress zum 90. Geburtstag der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe, zu dem am Freitag rund 600 Besucher nach Stuttgart gekommen waren.Mit der Pädagogik Rudolf Steiners sei etwas Unerhörtes in die Diskussion gekommen, eine Unterrichtsmethode, die sich ohne Berücksichtigung der Anforderungen von außen nach den Erfordernissen der „menschlichen Gesamtwesenheit” richte. Riethmüller äußerte die Hoffnung, dass von dem Kongress „Wachmomente und Impulse” für die Waldorfschulbewegung ausgehen. Zum Kongress waren Politiker, Bildungsexperten, Eltern, Lehrer und Schüler eingeladen. Der Kongress stand unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Günther H. Oettinger.
In seinem Grußwort betonte Oettinger, die Waldorfschulen „ergänzen und bereichern unsere Schullandschaft”. Durch einen anderen pädagogischen Ansatz auf der Basis des anthroposophischen Menschenbilds schafften sie für Eltern eine Alternative bei der Schulwahl.
Auch Vertreter aller vier im baden-württembergischen Landtag vertretenen Parteien überbrachten Glückwünsche zum Jubiläum und unterstrichen die wichtige Vorreiter- und Vorbildrolle der Waldorfschulen auch für das staatliche Schulwesen. Dr. Birgit Arnold (FDP) hob hervor, mit der ersten Waldorfschule sei eine höchst innovative Konzeption umgesetzt worden. Sie stellte den Waldorfschulen in Baden-Württemberg eine Erhöhung der staatlichen Zuschüsse auf 80 Prozent in Aussicht. Brigitte Lösch (Grüne) unterstrich das ganzheitliche Konzept der Waldorfpädagogik: hier werde nicht nur Wissen, sondern auch Handlungskompetenz an die Schüler vermittelt. Martin Körner (SPD) begrüßte die verstärkte Hinwendung der Waldorfschulen auch zu Schülern in sozialen Brennpunkten. Er ermunterte sie, diesen Weg fortzusetzen, der mit der Interkulturellen Waldorfschule Mannheim eingeschlagen worden sei. Volker Schebesta (CDU) dankte für die „konstruktive Zusammenarbeit” bei der Entwicklung eines Finanzierungsmodells für freie Schulen und lobte die Impulse für das öffentliche Schulwesen wie Fremdsprachenunterricht ab der ersten Klasse.
Henning Kullak-Ublick vom Bundesvorstand der Freien Waldorfschulen ging in seinem Redebeitrag auf die Freiheit des Lehrers in Zeiten zunehmender Standardisierung im Bildungswesen ein. Diese Freiheit bestehe im „erziehungskünstlerischen Blick” auf den Schüler, der durch fortwährendes eigenes Forschen des Lehrers entwickelt werde. Von Anfang an sei das „Programm” der Waldorfschulen ausschließlich das Interesse für das Kind und den Jugendlichen gewesen. In dieser individuellen Verantwortung des Lehrers sah Kullak-Ublick dann auch die Basis für eine Kultur der Zukunft. Entscheidend sei die Beziehung zum Kind, so Kullak-Ublick.
Vorträge und Podiumsdiskussionen des Kongresses befassten sich mit Vorraussetzungen gelingenden Lehrerhandelns. Dazu vertrat der Neurobiologe und bekannte Buchautor Prof. Joachim Bauer die These, neueste Ergebnisse der Hirnforschung forderten „eine Renaissance der Beziehungen in der Pädagogik”. Ohne Beziehung zwischen Lehrer und Schüler gebe es keine Motivation, hier entstünden die gegenwärtigen Probleme im Schulwesen. Prof. Bauer erläuterte, wie Ausgrenzung und mangelnde Akzeptanz Motivation verhinderten und Aggressivität auslösten. „Die Schule ist nicht der Ursprung, sondern die Bühne, auf der das alles ausgetragen wird”, betonte er.
In Foren des Kongresses wurden außerdem Themen wie „Schule der Zukunft”, „Bedeutung der Elternmitarbeit”, „soziale und interkulturelle Herausforderung” sowie der Übergang von der Schule in die Hochschule besprochen.
Über den Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
Die deutschen Waldorfschulen haben sich zu einem Bund der Freien Waldorfschulen e.V. mit Sitz in Stuttgart zusammengeschlossen. Die föderative Vereinigung lässt die Autonomie der einzelnen Waldorfschule unangetastet, nimmt aber gemeinsame Aufgaben und Interessen wahr. Korporative Mitglieder sind derzeit 215 Waldorf- und Rudolf-Steiner-Schulen sowie neun Seminare/Hochschulen für Waldorfpädagogik. Daneben gibt es rund 1.900 persönliche Mitglieder.
Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart eröffnet. Nach 90 Jahren Waldorfpädagogik gibt es heute weltweit über 1.000 Waldorfschulen sowie 2.000 Kindergärten und Förder-Einrichtungen in allen Erdteilen, darunter auch in Israel, Südafrika und Ostasien.