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- 24. Mai 2007
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- Die Epoche begann mit Unmutsäußerungen der Schüler: sie hätten keine Lust, jeden Tag 2 Stunden Eurythmie schien unvorstellbar und sowieso – wieso sie das jetzt müssten…
Ich begann mit Aufwärmübungen, eine Neuheit, die ich seit meiner letzten Fortbildung eingeführt habe. Dabei bestehe ich sehr streng darauf, dass dabei nicht geredet wird. Die Ruhe herzustellen ist nicht leicht. Aber ohne sie geht es nicht. Die Übungen sind wichtig, weil die Muskeln angewärmt und die Schüler in die Lage versetzt werden müssen, ihren Körper, ihre Gliedmaßen zu spüren, wenn Musik oder Sprache sichtbar gemacht werden sollen.
Bei diesen Aufwärmübungen sollen die Schüler zunächst „normal gehen“, was bedeutet, dass dabei die Arme locker neben dem Körper schwingen, behaupte ich. Da sind die Schüler oft anderer Meinung, sie behaupten, beim normalen Gehen habe man die Hände in den Hosentaschen, bei anderen bewegen sich die Arme beim Gehen überhaupt nicht. Und das ist halt so!
Aber zu Diskussionen ist jetzt keine Zeit und ich setze mich autoritär durch.
Die nächste Phase der Übung besteht darin, dass der Schritt bis ins Extrem und der Armschwung entsprechend vergrößert wird.
Kein Mensch geht so im Alltag, dass sieht schon sehr ungewöhnlich aus… Mut…
Die Schüler werden mit ihrer eigenen Schwere konfrontiert, die sie bei den extrem großen Schritten durch ein Beugen und Strecken des vorderen Knies auffangen sollen. Dabei werden alle Beinmuskeln intensiv trainiert und angewärmt.
Deutlich sind Widerstände zu spüren: Wie das aussieht! Und außerdem ist es anstrengend! Schwere ist unangenehm, sowohl körperlich als auch im Seelischen.
In der nächsten Phase dieser Übungen sollen die Schüler sich in die Leichte begeben, indem sie in einen wippenden Schritt wechseln um dann hohe Sprünge zu machen, bei denen der Armschwung beibehalten werden soll.
Kleine Kinder lachen unwillkürlich, wenn sie springen.
Auch hier, in der tiefsten Pubertätszeit, bemerkt man Freude. Lachen allerdings ist nicht zuhören, eher so etwas wie ein wohliges Grunzen.
Diese Übung kann dann in verschiedenen Varianten beendet werden, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen will.
Danach ging es dann an die erste eurythmische Aufgabe: das sogenannte Neuner- Dreieck. es handelt sich hierbei um ein großes gleichseitiges Dreieck, das aus drei kleinen gleichseitigen Dreiecken besteht, ein Gebilde, das die Schüler schon in der 6. Klasse kennen gelernt haben. Hierbei ist zunächst ein geometrisches Verständnis der Schüler erforderlich. Nun müssen die Schüler fähig sein, dieses Verständnis in den Raum zu projizieren und bestimmte Wege kennen zu lernen und dann zu gehen, die zwar vorhanden, aber unsichtbar sind. Die Orientierung im Raum und das sichere Gefühl in ihm werden gefördert.
Zunächst ist noch gar kein Gefühl für die Seitenlinien des großen Dreiecks vorhanden. Ständig müssen die Schüler darauf hingewiesen werden, dass sie außerhalb dieser Linien stehen. Das nervt! Alle!
Aber am Ende der zweiten Woche sieht die Sache schon anders aus. Das große Dreieck wird jetzt immer wieder sichtbar, dann löst es sich wieder auf. Zwei abwechselnde Zustände gibt es: beim zweiten Zustand sind die Spitzen des großen Dreiecks innerhalb des in ihm enthaltenen Sechsecks:
ein Gebilde, das seine Spitzen rhythmisch abwechselnd außen und dann innen hat.
Für was könnte das ein Bild sein? Wachen und Schlafen, Leben und Tod z.B…
„ Wieso Leben und Tod? Man lebt doch nur einmal und dann ist man tot! Das geht doch nicht abwechselnd!“
Interessante Fragestellungen ergeben sich. Gelegenheit, Denkanstöße zu geben. Belehrende Vorträge sind weder nötig noch erwünscht.
Auch bei der sich anschließenden Gruppenarbeit. Die Schüler sollten sich in kleinen Gruppen zusammentun und sich ein Gedicht aussuchen, um es selbstständig auszuarbeiten:
Welche Wege wollen wir wann gehen?
Welche Armbewegungen wollen wir dabei machen?
Die Schüler steigen sofort intensiv in die Arbeit ein. Es entsteht eine äußerst lebendige Atmosphäre aus sprudelnden Ideen und Schaffensfreude. Dass der Lautstärkepegel dabei über das normale Maß deutlich ansteigt, gehört zur Sache.
Sehr überrascht war ich über die Auswahl der Gedichte. Meine bisherige Erfahrung war, dass die Schüler sich Gedichte nach ihrer Länge aussuchten. Je kürzer desto besser. Nun kamen die Schüler mit einem Gedicht von Friedrich Hebbel: „ An den Tod“ (sechs 4-zeilige Strophen, ich habe mich richtig erschrocken!), dem „Liebes-Lied“ von Rainer Maria Rilke, „Gefunden“ von Goethe und einem Eugen Roth…
– (Fortsetzung folgt) –
Jürgen Erbacher