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- 27. November 2008
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- Wo will ich dienen, wo eingreifen in die Welt ? Das ist die Frage nach der Arbeit.
- Was brauche ich, damit ich meine Existenz begründen kann ? Das ist die Frage nach dem Einkommen.
Erfolgreiche Aktionstage an der Waldorfschule
Ein nagelneues Auto im Foyer, Informationsstellwände verschiedener Wirtschaftsunternehmen und ihre Vertreter, hochkomplexes medizinisches Gerät zum Ausprobieren in der Biologie, ein Polizist mit Maschinenpistole im Koffer, ein Bootsbauer und Flugzeugbauer, eine Bankerin und ihr Auszubildender, Journalist und Umwelttechnikerin, Hebamme und Biobäuerin, Kindergärtnerin und Lehrerin, Werbefachmann und Elektromeister, Studienberaterin der Universität, Mechatroniker und Sozialarbeiter – es war schon einiges los in der Waldorfschule Siegen. „Arbeit und Einkommen – Schule und Beruf” waren die zwei Aktionstage für die Schülerinnen und Schüler der 9. – 12. Klasse überschrieben, in die noch ein Vortrag von Udo Herrmannstorfer zu diesem Thema eingebunden war.
Worum ging es bei diesen 2 Tagen? Lehrerin Gudrun Heim machte es in ihrer Begrüßung deutlich: Schüler müssen sich frühzeitig mit den Fragen von Arbeit und Einkommen beschäftigen. So sei die Frage, wie viel Einkommen der Mensch benötigt, um leben zu können, eine existentiell grundlegende. In Deutschland sei zwar viel Arbeit da, aber gleichzeitig zu wenig Einkommen, um leben zu können. Zukunftsängste können sich früh einstellen, wenn sich die Schüler nicht grundlegend mit diesen Zusammenhängen beschäftigen. Dazu solle diese Veranstaltung ein Anstoß sein.
Eingeladen hatte das Organisationsteam ehemalige Schüler, Eltern der Schule, regionale Wirtschaftsunternehmen und Kooperationspartner für die Gesprächsgruppen und Workshops. Manche konnten nur an einem Tag teilnehmen, viele hatten sich jedoch für beide Tage Zeit genommen und stellten sich den vielen Fragen der Schüler. Dabei wurden in allen Gruppen die verschiedensten Aspekte angesprochen: Was war das Motiv für die Berufswahl? Wie sieht die Tätigkeit genau aus? Wie wird die Tätigkeit vergütet? Wie sicher ist der Arbeitsplatz? Was trägt der Beruf zum Dienst an der Gemeinschaft bei?
Udo Herrmannstorfer, der eingeladene Referent aus Basel, stellte diese Fragen in seinem dichten und komplexen Abendvortrag in einen weiteren Zusammenhang. Viele der Schüler stehen jetzt an der Schnittstelle Schule und Beruf und treten hinaus in das Berufsleben, wo sie etwas verdienen müssen. Dienen, so der Referent weiter, nennen wir Beruf. Jeder, der ins Berufsleben eintritt, muss sich also 2 Fragen beantworten:
Im weiteren Verlauf des Vortrags folgte ein Durchgang durch die Wirtschaftsgeschichte. Während man in alten Gesellschaften kollektiv dachte, hätten wir heute eine arbeitsteilige Gesellschaft. Die Muster der Kollektive gingen heute verloren. Bestimmte einst die Leistung das Einkommen, veränderte sich im Laufe der Geschichte der Charakter der Arbeit. Arbeit wurde zur Naturumwandlung, da der Mensch die Natur nicht lässt, wie sie ist. Technische Errungenschaften und zunehmende Erfindungen entlasteten den Menschen bei der Arbeit, schließlich wurde die Arbeit durch die Rationalisierung immer produktiver. Ist aber das Gleiche mit weniger Aufwand zu erreichen, wird menschliche Arbeit freigesetzt. Die eingesparte Arbeit wird neu eingesetzt. So habe sich die Entwicklung verlagert vom Tun zur Einkommensfrage. Heute sei der Lohn und damit die Menschen ein Kostenfaktor der Unternehmen geworden. Bezahlt wird nicht mehr die Leistung, sondern die Arbeit. Arbeitende Menschen vergrößern das Kapital, haben aber keinen Anteil daran, weil das Kapital dem Unternehmen gehört. So tragen sie zur Kapitalsteigerung bei, ohne selber daran teilzuhaben. Immer mehr Menschen würden heute freigesetzt werden, ihr Einkommen ist aber im Kapital enthalten. Mit einem Schwenk über die Diskussion zu den Sozialsystemen und Hartz IV deutete Udo Herrmannsdorfer am Schluss seines Vortrages an, wie eine Lösung der alten ökonomischen Frage aussehen kann. Ein nicht mehr arbeitsabhängiges Grundeinkommen als Basis für alle Lebenslagen. „Wo kriegen Menschen Motive zum Arbeiten her außer den Zwang zum Lohn?”, fragte er provokant. Ein Grundeinkommen sei freigestellt von jeglicher wirtschaftlichen Gegenleistung und schließlich ein Teil der sozialen Frage. Mit Gedanken Götz Werners schloss Udo Herrmannstorfer seinen Vortrag:”Es muss heißen: Wir haben ein Einkommen, um arbeiten zu können und nicht – Wir arbeiten, um ein Einkommen zu haben.”
Viel Diskussionsstoff bot dieser Vortrag und Anregungen zur Weiterarbeit an diesem Thema. So sollen im nächsten Jahr die Aktionstage wiederholt und für den Vortrag Götz Werner gewonnen werden.
Text und alle Fotos: Michael Albe- Nolting