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- 19. Februar 2008
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Holocaust-Überlebende besuchten die Rudolf Steiner Schule Siegen
In den letzten Wochen standen für die Schüler der 8. Klasse die Themen Judentum und das Leben Walter Krämers auf den Lehrplänen der Religionsunterrichte. Daneben beschäftigten sie sich mit der Zeit des dritten Reiches. So war die Klasse gut vorbereitet für die Begegnung mit den Zeitzeugen Michaela Vidlakowa und Artur Radvansky. Beide, Überlebende des Holocaust, waren schon zweimal Gäste der Schule gewesen und nun von den Religionslehrern noch einmal eingeladen worden.
In einem sehr intensiven und emotionalen 2 -stündigen Gespräch schilderten beide Gäste den Schülern eindrücklich aus ihrem Leben und gingen auf die zahlreichen Fragen der Schüler ein. Ob er denn keinen Hass empfinde gegenüber den Deutschen?, wurde der inzwischen 86-jährige Artur Radvansky dabei gefragt. Nein, antwortete dieser, denn immerhin verdanke er einigen Deutschen sein Leben, allen voran Walter Krämer, der ihn im KZ Buchenwald unter Lebensgefahr operierte. Es ginge ihm auch nicht um Rache, nur um Gerechtigkeit.
Und um Aufklärung der jungen Generation, ergänzte die 71 – jährige Michaela Vidlakowa. Gerade in einer Zeit, in der rechtsradikale Parteien in Deutschland und Europa wieder erstarkten und den Holocaust leugneten, sei ihr persönliches Zeugnis umso wichtiger.
“ Wenn ich meine Nummer 70315 in meinem Arm sehe“, so Artur Radvansky, „die ich in Auschwitz mit Tinte und Stahlfeder eingestochen bekommen habe, wer will mir dann sagen: Es habe Auschwitz nicht gegeben?“
Eindrücklich und bewegend ging er auf seine Erlebnisse in den 6 Lagern ein, die er in 6 Jahren seines Lebens durchlief. Wie er denn diese Jahre durchgestanden habe?, fragte ein Schüler. Er habe einfach die Pflicht gehabt, zu überleben, gerade, nachdem sein Vater 4 Tage vor seinem 18. Geburtstag in Buchenwald in seinen Armen gestorben sei. Oft habe ihn aber auch nur Glück, Kameradschaft und Lügen am Leben erhalten, etwa in Auschwitz, wo er sich als Student der Medizin ausgab und so zum Hilfspfleger wurde.
Viel Glück in ihrem Leben habe auch sie gehabt, wusste Michaela Vidlakowa den Schülern zu berichten. Zusammen mit ihren Eltern war sie als 6-Jährige nach Theresienstadt gekommen. Ein Holzhund, den ihr Vater ihr gebaut hatte, rettete der Familie das Leben, da ihr Vater in der Holzwerkstatt des Lagers arbeiteten durfte. Getrennt von den Eltern kam sie in ein Kinderheim und erhielt heimlich Schulunterricht. Das sei eine Frage der Würde gewesen und „wir wollten lernen.” Nach der Befreiung habe sie sofort in die 4. Klasse gehen können. Deutsch lernte sie, so berichtete sie weiter, von einem Waisenjungen aus Deutschland, der mit ihr mehrere Wochen im Krankenhaus lag und später in Auschwitz starb. Kurz nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sei dieses aufgelöst und alle Patienten nach Auschwitz deportiert worden. Besonders bewege sie bis heute zwei Dinge. Zum einen, so die 71 – Jährige, das Bild von den alten Juden aus Deutschland, die sie um Essen angebettelt haben. Wem sollte ich was geben?, fragte sie die Schüler. Zum anderen das Verabschieden von den Kameraden. Denn von 1500 Kindern in Theresienstadt überlebten nur 100.
Mit klaren Worten beendeten die Gäste die Begegnung. „Ihr müsst eure Zivilcourage behalten, damit euch nicht passiert, was uns passiert ist. Wenn die Totalität zur Macht kommt, ist es zu spät.” Ein Appell, den sich die Schüler nach dieser Begegnung sicher zu Herzen nehmen werden.
Michael Albe-Nolting